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Kurzgeschichten

Der Kuss

Er rennt um sein Leben. Er hatte sich so auf diesen Abend gefreut und jetzt rennt er um sein Leben. Jeder seiner Schritte schmerzt, jedoch rennt er weiter in der Hoffnung, weiter leben zu dürfen.
Er rennt durch die Nacht, während das Blut seine Kleidung Rot färbt. Als er an diesem Abend die Bar betrat, war die Nacht noch vielversprechend und wild. Nicht sein Blut, sondern Bier floss in Strömen. Es wurde gelacht, gesungen, dies alles war, bevor er blutend durch die Nacht rennt.
Wie jeden Freitag zieht er durch die Bars, auf der Suche nach einer schnellen Nummer. Wie ein Jäger geht er jedes Wochenende auf die Jagt. Parfümiert versucht er seinen Lockstoff in die Nacht zu verbreiten, seine Spendierhose sitzt wie jedes Wochenende extrem locker. Sein ganzes Leben ist darauf ausgerichtet, dem anderen Geschlecht zu gefallen. Viermal in der Woche geht er zum Sport, sein Kleiderschrank beherbergt die prachtvollsten Klamotten. Sein Geld steckt er in seinen Sportwagen, sein Leben ist auf, jagt ausgerichtet. Seine Zähne sind weißer als die eines Haies. Frauen sind für ihn nur eine Kerbe.
Als es um sein Leben rennt, geht er den Abend im Kopf durch. Was hatte er falsch gemacht? Warum tat sie es? Sie war so schön und zierlich. Er ist doch nur ein Mann.
Sie war die bittersüße Verführung. Sie war so schön, doch jetzt muss er sterben, das Leben verlässt seinen Körper, je weiter er rennt. Ihr Geruch war so süß wie ihr Äußeres. Warum? Schwebt ihm wie ein letztes Echo immer wieder durch den Kopf. Seine teuren Klamotten sind Blut durchtränkt, seine Haut ist blass. Er wollte sie als Trophäe, er wollte ihren Körper.
Bald ist er tot. Seine Blutspur ist lesbar wie ein offenes Buch. Die Erschöpfung zwingt ihn zu Boden, der Blutverlust schwächt ihn, ihm wird immer schwärzer vor Augen. In der Ferne sieht er die Lichter der Zivilisation. Die Rettung ist unendlich weit entfernt. Nur noch der Kuss des Todes kann ihn erlösen.
In dieser Nacht wollte er jagen, aber in dieser Nacht wurde er zum Gejagten.
Er schaut hinter sich und erkennt eine zierliche Silhouette. Es ist der Tod, es ist die Jägerin. Verschwommen nimmt er sie wahr. Er spürt einen Druck in der Brust und einen Kuss, bevor er stirbt.
Sein lebloser Körper wird drei Tage, nachdem er getötet wurde, entdeckt. Sein Körper wurde ausgestopft, dass Einzige, was auf den Täter hinweist, ist der Kuss-Fleck auf seiner Wange.

Weidmannsheil.